Buchstabenbiegerei und hängengebliebene Dynamik – das Interview mit Vragk
Ein Maler in Frankfurt, der sich nicht so recht in gängige Schubladen
pressen lassen will, ist Vragk: Neben vielen Graffitis, die sich sehr auf
den Buchstaben konzentrieren, sieht man von Vragk auch viele Installationen, Sticker und Tags. Vragk steht für Abwechslung – und doch zieht sich eine gewisse Kontinuität durch die Werke – gerade die Kalligraphie hat es ihm besonders angetan. An unserem
Bilderpost wird das sichtbar. Wir haben uns mit ihm über über
Buchstaben und Toys unterhalten, aber auch über Crews und die Stadt
Frankfurt. Und haben dabei jemanden kennengelernt, der auch nach vielen
Jahren Malerei immer weiter auf der Suche nach neuen Wegen und Mitteln
ist, um seinen kreativen Drang auszuleben. Here we go …
Wie es geschrieben wird: Wragk. Mich nervt, dass viele Leute mich “Wräck”
genannt haben, ich mag Anglizismen nicht
sonderlich. Deshalb lass ich auch öfter das W weggefallen, um deutlich zu machen,
es soll Vragk/Vraq heißen.
die Buchstaben oder ist die Bedeutung des Namens auch wichtig?
Name was bedeutet und wenn die Buchstaben cool sind – meiner endet auf K, alles
super.
was wie Teufel heißen soll – das gefällt mir. Aber für mich selber hat er
eigentlich keine Bedeutung. Bin halt ein Kiffer, bin halt ein bisschen kaputt.
wieso das?
erklären, aber den habe ich lange studiert. Ich habe für mein Piece oder Tag
ein Gerüst, das mir gefällt. Wenn es am K funktioniert, funktioniert es auch
bei anderen Buchstaben. Früher habe ich meine K’s aus einem I und einem S zusammengesetzt.
So ist das entstanden.
lesen und ohne Buchstaben auch nicht schreiben. Buchstaben bestimmen die Kultur. Buchstaben sind Gott –
ja für mich persönlich sind Buchstaben Gott.
die Schreibweise deines Namens ziemlich variiert …
Buchstaben zu malen. Aber irgendwie macht es Spaß, man bleibt darauf hängen. Es
ist das “Namen schreiben”. Man lernt mit vier oder fünf Jahren seinen Namen zu
schreiben. Das ist auch das Krasse beim taggen: Da steht dann irgendwo mein
Name drauf. Buchstaben sind für mich alles, das bin ich.
sich Characters und Buchstaben, das ist DAS Ding. Ich wollte einen Namen haben,
mit dem ich rumspielen kann. Den hab ich mir wirklich schon ganz früher als Toy
ausgedacht. Ich bin immer wieder darauf zurückgekommen. Das mit den
unterschiedlichen Schreibweisen kam auch erst später. Ich habe dann
gemerkt, Standard langweilt mich und ich
habe keine Ahnung von anderen Buchstaben. Mit dem Q hat sich dann das
Charakterding angeboten, so mit Zunge oder so. Das versuche ich jetzt durchs
ganze Bild durchzuziehen. Ich fühle mich als Buchstabenbieger …
noch stärker gemacht – hier ein Schwung drin, das W ist hier etwas gezogen und
da am Q was verdreht. Jetzt momentan biege ich die Buchstaben auch nicht mehr
so. Das Wort Stylen mag ich aber nicht – das Wort nimmt sich zu ernst.
Buchstabenbieger ist der bessere Begriff.
dir. Wie bist du dazu gekommen, dich
wirklich intensiv mit Buchstabenkonstruktion zu beschäftigen?
hatte mit Feder geschrieben. Und dann ich wollte eigentlich immer schon wissen,
wie man mit richtig dicken Keilmarkern umgeht. Das kann ich immer noch nicht.
wollte ich auch können. Ich konnte mit den Dingern überhaupt nicht taggen, und
kann es auch immer noch nicht. Dann hab ich mir den Marker geholt und probiert
und dann bin ich bei Kalligraphie gelandet und habe langsam begriffen, wie man
die Dinger setzen muss, damit die Buchstaben auch gut aussehen. Das war also
mehr ein Unfall, mein Antrieb war, dass ich mit Keilmarkern taggen wollte.
versuche Regelmäßigkeiten herzustellen. Auch bei Buchstaben, die ich sonst nicht
male, einfach zum Verständnis. Jeder Buchstabe hat ja eine Funktion, danach
sind sie aufgebaut.
dein Name kommt ja doch verspielter rüber?
ordentliche Tags zu entwickeln. Aber es funktioniert immer noch nicht.
Vielleicht sind das auch andere Persönlichkeiten, die es einfach besser
hinkriegen. Das mit dem anderen Schreibstil kann schon stimmen. Ich wollte schon
immer Comiczeichner werden, bei den Pieces bin ich jetzt erst drauf gekommen,
ein bisschen Character-Ding da rein zu schmeißen.
Wonach suchst du die Spots aus? Spontan? Oder checkst du
vorher schon Stellen, die sich eignen würden?
dann gucke wo möglichst viele alte Tags sind, ansonsten zum Kleben suche ich,
glaube ich, Spots, die gute Fotos ergeben könnten.
Ich habe eigentlich keine
bestimmten Kriterien, außer, dass die Spots vielleicht langlebiger sein könnten. Aber ich treffe eine Vorauswahl, definitiv. Spontan bin ich
nie wirklich an Spots gegangen.
wichtig, z.B. hoher Publikumsverkehr oder passende Umgebung?
Eine Zeit bin ich direkt mit Luis in der Innenstadt rumgerannt, und da ist das
nicht so angenehm. Man wird halt begafft beim Kleben und oft kriegt man auch
dumme Fragen gestellt – manchmal auch coole – aber meistens dumme. Und gerade
bei den geklebten Schweinchen muss das Rosa auch zur Umgebung passen.
nach unserem Interview mit dem Sonnenbomber klingt es so, als habe auch er Schweine
verklebt …
Ich bin ja eigentlich mit meiner Crew unterwegs gewesen. Naja,
und in der Familie ist das ja nicht wirklich biten, eher erben. Man teilt
Styles, aber biten ist ein böses Wort. Es war damals gerade viel Holz da, ich
hab da meinen Namen drauf geschrieben und kalligraphiert und dann ging das los
– links und rechts von mir wurden dann halt Bretter bemalt. Das hat aus irgendeinem
Grund Spaß gemacht und wir haben das gefeiert. Aber das war mir schon öfter
aufgefallen: wenn man so zusammensitzt und links und rechts schaut, machen
irgendwie alle immer das Gleiche. Da hab ich einfach ein paar Holzplatten
genommen und übereinandergelegt und rosa angemalt und gedacht: ok, cool, das
ist jetzt ein Schwein. Das hat mich irgendwie gekickt, der Gedanke. So wurden
die Schweine draus. Es war mehr oder weniger eine Schnapsidee… Der Sonnenbomber
hat auch schwer Styroporplatten organisiert. Mit ihm und noch jemanden haben wir dann damals die
Schweine geklebt, das war ‘ne nette Zeit. Naja, inzwischen mach ich das nur noch
alleine.
Aussage reinzubringen …
machen, dafür bin ich nicht zuständig. Schweine sind rosa, das ist cool.
Was meinst du damit? Sollen andere die Aussagen mit deinen Arbeiten verbinden
oder mit eigenen ihren Arbeiten Aussagen treffen?
Arbeiten kann jeder das reininterpretieren, was er will. Ist ja jedem
überlassen, aber ich selbst verbinde damit keine Aussage. Mit irgendwas werde ich definitiv
unzufrieden sein, ansonsten würde ich nicht nachts rumrennen und Wände
beschmieren, aber es gibt da keine Aussage, und wenn, wüsste ich nicht welche.
machst du beides?
auch noch viele Plakate rumfliegen, die ich auch noch verteilen will.
Gheddospot. Was meinst du damit?
Jeder hat geglaubt, dass er machen kann, was er will. Und das gibt dann
natürlich Ärger. Man kann halt nicht einfach über irgendwelche anderen Bilder
drübermalen. Wenn man auf eine Party
gehen will, und Leute auf einen zu kommen und sagen: “Du oder deine Jungs, ihr
habt letztens dies oder das gemacht” ist das ziemlich dumm. Ich konnte dann
halt nur sagen, ich weiß von nichts. Das ist bei uns eben so, dass wir
unorganisiert sind.
zu machen?
Natürlich macht man noch Sachen zusammen, aber ich mal nur
noch meine eigenen Buchstaben. Wir waren zu viele Leute, wir waren zu groß. Ich
sag ja immer noch wir, das ist so ein Ding, was ich nicht rauskriege. So
eingeschworen waren wir dann aber auch nicht, dass man sich für die anderen
verprügeln lassen würde.
Aber dieses Crew-Ding ist ein bisschen komisch. Ich habe gemerkt, wenn ein paar
Jungs auf einem Haufen sind, ist das wie bei Hunden. Die wollen alle nur
spielen, aber dann geht es auch darum, wer ist der Stärkere, wer dominiert wen,
und mit dem ganzen Crew-Gehabe ist das nicht anders. Das ist eine total
hängengebliebene Dynamik.
dein Wissen mit ganz Frankfurt anlegt, dann macht er das eben auch in deinem
Namen. Ich hab es irgendwie geschafft, mich da immer rauszureden, ohne
verprügelt zu werden. Da bin ich froh drüber, denn das ist es mir nicht Wert. Wir
können gerne zusammen kiffen oder malen gehen, aber nicht mehr dieselben
Buchstaben.
Vorwurf.
Bassist. Bassisten alleine bringen auch nicht viel. Du brauchst ne Band.
wie das Standard-Familien-Modell. Im Nachhinein habe ich auch mehr Einzelgänger kennengelernt. Und irgendwann
gemerkt, dass es derzeit für mich besser ist, mich da rauszuhalten.
nur ein Teil der Hip-Hop-Kultur oder hat sich das verselbständigt?
verselbständigt. Ich hab mit HipHop selber nichts am Hut. Ich bin über das
Comiczeichnen zum Graffiti gekommen – irgendwie muss man ja die Sprechblasen
füllen, da muss man auch ordentlich schreiben.
man malt, jeden Sticker, den man klebt, jedes Bild, das man malt, ist pures
Adrenalin. Alles ist so groß und aufregend. Man saugt alles auf.
aber es ist nicht mehr Aufregung. Damals war das der Hammer, wie man sich
vorgebeugt hat, um irgendwo was hinzuschmieren und wie man sich gefreut hat,
wenn man dran vorbeigekommen ist. Und jede Idee, die man als Toy hat, war ja
supercool, weil niemand einem gesagt hat, dass das Scheiße ist. Selbst wenn man
Stress hat, denkt man: Geil, ich hab Beef am Start!
Wie war dein erstes Bild … erinnerst du dich noch dran?
einfach gedacht, wir stellen uns daneben und tun so, als wäre nichts, dann ist
ja auch nichts. Noch direkt ein Foto gemacht und vor Ort noch gekifft und
gechillt. Und dann waren wir richtig schlau und wollten nicht zu Fuß weg. Wir
haben dann ein Taxi genommen, stanken total nach Farbe und die Dosen klackerten
im Rucksack … Es war nie wieder so geil gewesen, zu malen.
ein gewisses Selbstbewusstsein braucht
man auch. Man soll sich nicht von jedem irgendwas erzählen lassen, solange man bei
den Regeln bleibt.
auch jedes Mal blöd vor, wenn ich das jemandem erklären soll. Ich weiß selbst,
wie dumm das klingt, kompletter Schwachsinn, aber irgendwie ist es so. Man kann
eben Toy sein, und die Regeln verstehen oder man kann Toy sein, und die Regeln
nicht verstehen.
einen Beutel bei mir zuhause ausgegraben, voll mit Standardcaps, weil die
früher einfach keiner benutzt hat. Heute zieht damit jeder Outlines… Ansonsten
haben sich die Styles etwas verändert, das ist ja auch normal. Vor 15 Jahren
ging wesentlich mehr, heute gibt es wesentlich mehr Störungen wie Nachtbusse,
länger fahrende S-Bahnen oder generell mehr Betrieb auf den Straßen nachts. Das
macht qualitätsmäßig vielleicht schon was aus. Da entscheidet man sich doch
häufiger für’s Bomben als für ausgefeilte Pieces.
geändert?
Leuten aber auch weitgehend egal, was passiert – Hauptsache es hat nicht direkt
mit ihnen zu tun. So ist zumindest mein Eindruck. Erst, wenn es da ist, sind sie froh, dass sie
sich über was aufregen können.
davon, aber jeder hasst es. Das macht Spaß.
die ich gar nicht kenne. Ich weiß dann nicht, wer das aus welchem Antrieb
gemacht hat, wann er das gemacht hat. Sachen von Bekannten zu sehen, langweilt
leichter. Man freut sich natürlich auch drüber, aber es ist nicht so spannend.
Deshalb will ich eigentlich auch gar nicht wissen, wer was malt.
Angebot aus?
mir verkauft Dosen und es ist irgendwie schäbig, den jungen Kids zu sagen: Ihr
könnt an die Naxoshalle fahren, vielleicht, aber nur vielleicht ist da noch ein Container frei oder ihr fahrt nach
Höchst… oder Bad Vilbel.
Und legale Flächen ausschließlich an Jugendhäusern sind auch
ein bisschen doof. Weil das einem das
Gefühl vermittelt, als würde Graffiti nicht erwachsen werden können, als wäre
das immer ein Kinder- oder Jugendding. Es gibt ja inzwischen eine ganze Reihe
älterer Erwachsener, die quasi ihr ganzes Leben lang gemalt haben. Für die ist
es doch komisch, sich an ein Jugendhaus zu stellen. Am coolsten wären
Abrisshäuser, Hinterhöfe oder Brachflächen, dort kann man ja auch Wände
hinstellen.
Jams. Die brauch ich zwar nicht unbedingt, aber sie sind eigentlich auch immer
ganz cool.
noch Graffiti/Streetart oder sind da einfach Künstler am Werk?
mit Graffiti an der Autobahn zu tun. Das ist richtige Kunst. Graffiti, wie ich
das betreibe, also eher Bombing, das ist Sport. Ich finde das an der EZB
supergut. Zwar vergessen es die Leute, wenn sie 10 Meter weitergegangen sind,
aber du hast für die kurzen Momente ein anderes Publikum erreicht. Man sieht ja
auch, dass da anspruchsvolle Werke zu sehen sind. An der Friedensbrücke auch.
Es sollte mehr solche Dinger geben. Ich war lange nicht mehr da, aber am
Bahnhof Louisa gibt es ja auch solche Wände.
noch ein paar complete me’s und dann ab zu dem Bilderpost:
guckt.
ultracool.
überbewertet.
verkehrt … “Kiss me, Satan”, “Colour Kamikaze”, “Ren and Stimpy”, “Boondocks” – es
gibt aber noch viel mehr …
Vielen Dank für das Interview! Der Herr hat einen sehr angenehmen Blickwinkel auf die ganze Sache.
Keule, Du wirst gebraucht, macht mal langsamer mit dem THC! 😉
Und, wann ist man kein Toy mehr ?
Toy is man dann nich mehr, wenn man kein toy mehr is.
Vragk is king!!
irgendwie nicht