»Kondensstreifen« mit Bildern hinterlassen: Das Interview mit VAPOUR TRAILS!

Vapour Trails, das sind UNIK, MARK126, WORDS, RIOT, CREASY, BIAK und SQUAD, die alle vorwiegend aus Weimar stammen bzw. auch dort noch aktiv sind. Die Crew malt legal und ist an den meisten Hall Of Fames in Thüringen stark vertreten, insbesondere in Weimar und in Erfurt sind die Jungs oft am Start.
Bereits letztes Jahr im Herbst hatten wir uns mit Mark126 und Unik von der Crew in Weimar getroffen und uns über Ihre Historie, Weimar, legales Malen, Graff im Internet und vieles mehr zu unterhalten.

Here we go…


Hey, danke, dass ihr euch die Zeit genommen habt für dieses Interview.
Wer sitzt  jetzt eigentlich vor uns?
Ich bin MARK126 und ich bin UNIK.

Cool, fangen wir mal an mit unseren Fragen.
Was hat es denn nun eigentlich mit eurem Namen »Vapour Trails« auf sich? Verschwörungstheorie, oder was steckt genau dahinter?


MARK: Ich hab früher Drum&Bass aufgelegt. Da gab es einen Track »Vapour Trails« von einer britischen Combo namens »London Elekticity«, das klang erstens schön und zweitens, bedeutet es übersetzt »Kondensstreifen«, und da wir in gewisser Weise ja auch »Kondensstreifen« mit unseren Bildern hinterlassen, fand ich das eigentlich einen ganz klangvollen und hübschen Namen für uns. Irgendwie hat sich das so ergeben. Das war ungefär ein Jahr bevor wir uns als Crew, wenn man das so nennen mag, zusammengefunden haben. In dieser Zeit haben Unik und ich sehr viele Wände zusammen gemalt (wir kennen uns schon seit 1994) und sozusagen als Duo damit begonnen. Ein Auslöser war ebenfalls ein Contest in Schmalkalden, »Sprühsport« nannte sich das. Da wurde für die Anmeldung ein Team-Name gefordert und wir haben uns damals mit »Team Vapour Trails« angemeldet. Von da an war klar, dass das so weiter gehen soll …


UNIK: Am Anfang waren es eigentlich nur wir Zwei, aber durch den Wettbewerb haben wir uns dann auf Fünf aufgestockt (Unik, Mark126, Creasy, Pesk, Riot). Ich denke, das wird auch so bleiben. Die meisten von uns sind aus Weimar, außer Words (ehem. Pesk), der kommt aus Schmalkalden.


(UPDATE: Seit Juni 2014 sind auch Squad und Biak im Team.)
In Schmalkalden hört man ja öfters mal etwas über Graff-Events …
Unik: Das kommt dadurch, dass die dort unten eine recht gute Graff-Lobby unter anderem durch die Maclaim-Jungs haben, die sich sehr früh schon mit der Stadt und dem Thema legales Graffiti auseinandergesetzt haben. Case und Akut waren da schon immer sehr nah an der lokalpolitischen Ebene dran, wenn es dort um legalen Wände und Aufträge ging. Vom Sponsoring hat das dann auch immer ganz gut geklappt, da die Maclaim Jungs einen ganz guten Draht zu Montana haben. 

Neben euren festen Mitgliedern sieht man ja doch auch häufig wiederkehrende Writer, mit denen ihr zusammen malt, wie z. B. Zank, Squad oder Biak. Wer Bock hat malt mit oder wie läuft das bei euch?
Unik: Tja, wie beantwortet man die Frage am Besten? (lacht) Man kennt sich …

Ihr malt ja nun mittlerweile auch schon verdammt lang. Wie ging es denn bei euch los?
Unik: Bei mir ging’s echt aus einem Hip-Hop-Context heraus los: Es gab damals eine winzig kleine Weimar-West-Szene im Jugendclub Wagon. Dort gab es nur drei Hip Hopper, bei denen ich immer gecheckt habe. Zwei Leute haben gemalt, ich glaub mit Trabant-Braun und irgend einem komischen Rot draußen an einer Turnhalle. Wir waren dann nahe eines angrenzenden Naturschutzgebiets  bei Bier und Lagerfeuer. Da ist dann irgendwann mein allererster Name entstanden. Ja, und ich weiß nicht, ich hab das dann eben irgendwie für mich gefunden. Ich hatte auch mal darüber nachgedacht, ob ich Breaker werde, hab auch mal gerappt, aber letztendlich hab ich mich eben komplett in dem Graffiti-Ding wiedergefunden, gar nicht wissend was eigentlich daraus wird. Ich hab halt einfach gemalt. Mein erstes Bild, was ich gemalt hab, war ein »Cypres Hill«, das war 1994. Danach ging das eben Schritt für Schritt los, es hat mich einfach begeistert.

Gab es damals auch schon vergleichbare legale Spots wie heute, oder blieb einem nur die illegale Schiene übrig?
Unik: Es gab damals in Erfurt auch schon Halls, aber die haben mich überhaupt nicht interessiert. Die Hall, die in Weimar jetzt immer noch steht, die ist 1994 »gesetzt« worden. »DJ Shame« war damals einer der der Ersten, der gemalt hat. Er hat sich  einfach am Tag hingestellt und drauf losgemalt. Das ist dann relativ schnell in eine Art Duldung der Stadt übergegangen und war dann wirklich irgendwann legal. Das war auch in Weimar jahrelang die einzige Fläche, wo du hin gehen konntest. 


–Hinweis: Hall of Fame Facebook-Seite, mit vielen alten Bildern!

Mark: Und ist es eigentlich immer noch.
Unik: Ich glaub das war ca. 2009/2010, da ging relativ viel mit Street-Bombing und so. Die Stadt hat dann irgendwie versucht mit einer besonders »cleveren Strategie« alles illegal zu machen, was noch legal war und das Problem dadurch einzudämmen. Was natürlich nicht funktioniert hat. Und dann gab´s so eine Art große städtische Aktion, a la »wir schaffen drei legale Wände« in Weimar. Da zählte dann u.a. diese Wand als legal, die zu diesem Zeitpunkt seit ca. einem halben Jahr illegal war, obwohl sie ja bereits seit Jahren als Spot geduldet wurde. Dort haben z.B. auch die Maclaim-Jungs einige ihrer Bilder gemalt, die z.B. auch in deren Buch zu finden sind. Dazu kam dann u.a. noch eine kleine Wand in Bahnhofsnähe an einer Turnhalle und eine weitere ganz weit draußen beim Gaswerk/Schwanseestraße. Das ist  so eine kleine kniehohe Schmierwand. Dort waren wir aber noch nie malen, die spricht uns gar nicht an.
Mark: Zurück zur ursprünglichen Frage: Bei mir war das damals so, dass ich eines der Schwarzkopf & Schwarzkopf Bücher – Graffiti in Berlin – per Reportage im TV gesehen habe. Ich fand das damals total faszinierend, u. a. »Odem« und »Decoe«, Die beiden haben gesprüht und parallel eine Schilder- und Lichtreklamehersteller-Lehre gemacht. Dieser Bericht war damals bei mir wie so eine Initialzündung! Ich wollte das auch, was auch ganz gut funktioniert hat – später habe ich studiert und bin Grafiker geworden. Ich habe in den 90ern jahrelang mit »FUNK 25« zusammen gemalt. Da hießen wir »MAD YARD ROCKERZ«. (lacht) und, ähm, da haben wir »legale Wände gemalt« (lacht schon wieder!). Damals habe ich unter anderem »Mark126« gemalt. Wir malen ja jetzt, wie man sicher mitbekommt, auch immer wieder gern unterschiedliche Namen, nur der Name »Mark126« ist seitdem als fester Bestandteil geblieben.

Gab es eurerseits eine Beeinflussung durch andere Crews bzw. Künstler*innen?
Unik: In Weimar eigentlich wenig. Es gab zwar eine Crew kurz vor uns, mit Namen SNZ (Snickaz, später dann »MOK«), das waren die, die knapp vor uns angefangen haben. Mediale Quellen haben mich damals, zumindest zu Beginn, gar nicht beeinflusst. Das kam dann erst, als ich die ersten Mags hatte. Wir sind damals bereits ziemlich schnell auf Reisen gegangen. Mich hat eben auch schon immer eher das rollende Business interessiert, von daher hat sich das Rumreisen angeboten. Um 1995 war Leipzig bereits sehr beeinflussend! Wir sind damals teilweise nach Leipzig gefahren und haben stundenlang am Bahnhof nach Zügen Ausschau gehalten. Damals vor allem von der BIA Crew, ADA und SOC. Das waren schon die ersten Einfluträger für mich persönlich. Berlin kam dann auch ziemlich schnell dazu. Einfach, weil es dir Sachen ermöglicht hat, die hier teilweise undenkbar waren bzw. du an Sachen rangekommen bist, die es hier nirgends gab. Du hast dort z.B. ganz andere Dosen bekommen. Hier in Weimar hatten wir zwar auch einen Farbladen, damals mit Sparvar-Cans. Im Vergleich zu Leipzig und Berlin – als wir festgestellt hatten, was es alles für Farben gibt oder, dass es z.B. auch verschiedene Caps gibt – war das alles nicht zu vergleichen. Die Städte haben uns damals definitiv beeinflusst, aber hier in der Weimar gab es eigentlich nicht viele, die uns wirklich beeinflussen konnten. 
Mark: In Jena gab es schon ziemlich früh die »MFS Crew«, damals mit »EARL«, der allen weit voraus war, weil er schon zu DDR-Zeiten gemalt hat und »MASE« und »Hexler«. In Gotha gab es »Eff«, der immer die Teddys gemalt hat. Die thüringer  Szene war damals noch ganz klein, eigentlich haben wir alle in etwas zur gleichen Zeit angefangen. 
Unik: Ich glaube, man muss es einfach auch trennen. Es gab schon den einen oder anderen, der durchaus gute legale Wände gemalt hat, aber das hat mich eben überhaupt nicht interessiert. Alles was nachtaktiv war, war ja gerade erst im Aufbau. 

Und wie sieht es jetzt aus? Es gibt sicherlich sehr viele Leute, die sehr geflashed sind von euren Bildern. Gibt es aktuell Writer*innen, die euch begeistern?
Unik: Ich würde das trennen. Was Train malen angeht, beeindrucken mich eher die Leute, die konsequent sind, sprich, die einfach über die Jahre hinweg dran geblieben sind. Legal gibt es durchaus auch Leute, die mich flashen, was wohl aber vor allem daran liegt, dass ich relativ spät mit Hall malen angefangen habe. 

Mark: Ich glaub, was durchaus eine große Rolle spielt, ist immer noch der Berlin Mitte-Neunziger-Style. Der war damals schon das Non-Plus-Ultra und ist es durchaus noch heute. Die Basis ist klassischer New York Style. Ein gutes T-Kid Bild war damals schon Bombe und ist es heute noch.

Unik: Ich denke, die Leute die damals in den 90 ´ern schon gute Bilder gemalt haben, sind auch heute noch die Maler, die ich gut finde. Und da kommt nun mal Style- und wandmäßig viel aus den Metropolen. 

Dort gibt es ja die verschiedensten Style-Arten, der Anti-Style überrennt ja auch mittlerweile alles. Was sagt ihr dazu?
Unik: Geht so. Meins ist es nicht. Ich denke aber, wenn Leute das konsequent machen, und das schon über viele Jahre hinweg, dann find ich das gut. Prinzipiell wird man mich aber mit diesem Antistyle nicht abholen können. Zum einen ist es eine Rückentwicklung und zum anderen hab ich das Gefühl, dass es auch so langsam schon wieder zu dominant wird und man aufpassen muss, dass das klassische und qualitative Graffiti nicht verloren geht. Es gibt Städte, die einen kompletten Stylewandel hingelegt haben, dort malen fast alle nur noch auf Antistyle, sprich einfach dieses runtergebrochene, viel mit Industriecap und so.  Ich glaub schon, dass es Spaß macht und ganz nett ist, aber das Problem ist einfach, dass sich die ganze Szene umgestellt hat. Die Frage ist natürlich auch, was man wieder unter diesem Begriff versteht. Für mich gilt es ja bereits schon, wenn du wieder sehr rotzige Bilder machst, mit klassischen Caps und deinem Bild so ´n gewissen »Back 2 the Roots«-Flair vermittelst. 

Wie wichtig ist euch im Allgemeinen eine gewisse Internetpräsenz?
Mark: Wir haben ja nun unsere eigene Seite, die auch immer recht aktuell gehalten wird. Ansonsten gibt es da nur ein paar wenige Ausnahmen, z.B. wenn es ein paar Exklusiv-Fotos gibt, die für Mags genutzt werden.  Wir stammen ja noch aus dieser »Magazin-Generation«, wo es noch kein Internet gab, Mags haben also einen hohen Stellenwert. Aber ich finde natürlich auch eine Website wichtig. Wir sind keine Facebook-Nutzer, sowohl privat als auch graffiti-technisch. Von daher ist eine Website schon eine ganz gute Möglichkeit, um was von sich zeigen zu können. Wir hatten damals bei Streetfiles unseren eigenen Account. Ich denke, es geht bei uns wieder eher in die Mag-Ecke, dafür heben wir uns doch einige exklusive Sachen auf. 
Unik: Ich kann nicht sagen, dass ich es ablehne oder wirklich gut finde. Bei mir ist das eher phasenabhängig. Es gibt Momente, wo ich das alles ganz gängig finde, dann gibt’s aber auch wieder Zeiten, wo mich das alles einfach nur total nervt! Ich glaub, ich fände es nicht schlimm, wenn die das Internet auch wieder abschaffen würden, also komplett …
Ich hab zu Hause kein Rechner, ich hab zu Hause kein Internet, und ich will das auch nicht für mich! Natürlich hab ich auch Phasen wo ich mir meine zwei, drei Graffiti-Seiten anschaue, aber trotzdem geht dann immer relativ schnell die Lust daran verloren. Das »draußen sein« und das »machen« ist für mich durchaus das Interessantere. Bilder live sehen, Bilder zu machen und vor allem auch das rumreisen ist für mich das, was wirklich zählt. Ansonsten stehe ich einfach mehr auf Mags. Die haben einfach etwas viel Exklusiveres. 

Hat sich eure Einstellung zum Graffiti gegenüber früher bzw. der Anfangszeit geändert: Herangehensweise, Aktiv malen usw.? Kann man sagen, je älter man  wird, desto weniger macht man? 
Mark: Ich würde sagen, man geht auf jeden Fall bedachter an die ganze Sache heran. Wenn wir heute eine Wand malen dann telefonieren wir mindestens sieben mal miteinander, um einfach alles zu klären. Wir kommen dann mit Müllbeuteln zur Wand, um unseren Scheiß wieder wegzuräumen, wir klären wer eine Leiter, Streiche und Rollen mitbringt. Wir haben auch schon mal vorher die Wand abgekratzt um eine bessere Fläche zu haben. Man macht sich jetzt halt eher ´n Kopf um alles. Früher haben wir uns zu irgendeinem Zeitpunkt verabredet und einfach drauf los gemalt. Wir haben jetzt auch einfach aufgrund des Alters / Berufes  nicht mehr massenhaft Zeit dafür, von daher will man einfach alles ordentlich machen, wenn man malen geht. 

Unik: Die Anzahl der Bilder pro Jahr weniger geworden, aber die Leidenschaft wächst und wächst. Bei mir brennt das Feuer gegenüber Graffiti immer noch genauso stark wie vor knapp 20 Jahren. 


Habt ihr euch auch schon Gedanken gemacht wie lang ihr das Business noch betreiben wollt?
Unik: Ich kann mir ehrlich gesagt nichts vorstellen, was dazu führen sollte, dass ich nicht mehr malen gehe. Ich erfinde ja gerade den Hall-Bereich neu für mich, nennen wir es mal »Altersvorsorge« *lacht*.
Ich wüsste wirklich nicht, warum ich aufhören sollte…
Mark: Ich hab eigentlich auch eher das Gefühl, je länger ich das mache, umso höher der Stellenwert, damit nicht aufzuhören. Gerade wenn man schon so verdammt lang dabei ist. 

Die Schablone »since 94« ist ja auch immer mit in euren Bildern zu sehen. Gibt es schon eine für´s 20 jährige Jubiläum?
Mark: Diese Schablone ist mein Ding. Andere Taggen daneben, ich mach die Schablone mit ins  Bild. Das ist eigentlich die einzige konstante Komponente bei meinen Bildern, weil ich ständig andere Namen male.
Unik: (lacht) … weil sie dir dank eines Dosenherstellers in die Hände gefallen ist …
Mark: Nee, die hab ich schon selber gemacht.
Unik: (unterbricht) Ach, ich dachte das wäre ´n Werbegeschenk eines bestimmten Dosenherstellers …
Mark: Nein, nein, die hab ich selbst gemacht. Eine neue für 2014 ist auch schon fertig. Die Schablone ersetzt für mich einfach das Tag, nicht mehr und nicht weniger. 

Da wir gerade beim Thema Schablonen sind. Street Art, sprich Schablonen oder Sticker war jetzt nie wirklich euer Ding, oder?
Mark: Nee, meins auf jeden Fall nicht. 
Unik: Es gibt Sachen, die ich nett finde und mir durchaus auch angucke. Ich muss auch sagen, ich bin bei dem Thema offener geworden. Ich war dort durchaus sehr militant. Es gibt Sachen, die ich toll und beeindruckend finde, aber es ist eben einfach nicht meins. Wenn es nur Street Art geben würde, dann würde ich sicherlich nicht malen, glaub ich. 
Mark: Für mich sind es einfach auch zwei verschiedene Paar Schuhe, es hat nix miteinander zu tun. Ich finde Kunst im öffentlichen Raum prima, aber ich finde auch, dass es  nichts mit Graffiti zu tun hat. 

Ihr seid ja jetzt auch schon alte Hasen im Geschäft. Was sagt ihr zu neuen jungen Künstler*innen? Ist es schon mal vorgekommen, dass ihr von Jugendlichen angesprochen wurdet und nach Tipps gefragt werdet? 
Mark: Es ist natürlich gut, wenn der Nachwuchs sich am Graffiti versucht. Im Sommer 2013 z.B. hab ich zusammen mit BIAK in Erfurt gemalt und einem jungen Maler ein paar Skinnies gegeben, weil er überhaupt nicht mit seinen Caps klar gekommen ist.
Unik: Wir hätten uns damals bestimmt auch gefreut, wenn uns jemand Caps gegeben hätte.
Mark: Oder irgend einen Tipp.
Unser Kumpel Ches z.B. malt auch erst seit ca. 2 – 3 Jahre und macht bei uns ab und zu mal die Characters mit.
Unik: Ich glaub, es kommt auch immer drauf an, wie die Menschen auf einen zukommen. »Learn Respect, Earn Respect«, passt da glaub ich ganz gut. Es gibt Leute, die dir total dumm gegenüber treten, und dann gibt’s auch Leute, wo man wirklich Bock hat, die ein bisschen zu teachen. Es kommt aber auch auf die Situation drauf an. Ich bin beim Malen nicht gerade der kommunikativste Typ. Ich hab am liebsten meine Ruhe und will auch keine Zuschauer dabei haben. Ich bin es eben eigentlich nicht gewohnt Zuschauer beim Malen zu haben bzw. mich zu unterhalten. Ich singe aber immer mal gerne dabei!


Manche Künstler*innen nutzen Graffiti als Protest bzw. mit einem politischen Hintergrund. Bei euch ist das ja eigentlich nicht der Fall, oder?
Mark: Die Frage kann man ganz klar mit »Nein« beantworten, obwohl wir jetzt nicht Nicht-politisch-denkende Menschen sind. Wir verbinden das nur einfach nicht mit Graffiti. 

Zur Weimarer Szene. Macht hier jeder eher sein eigenes Ding oder zieht man doch öfter gemeinsam los?
Unik: Also, inzwischen ist es recht harmonisch geworden.
Mark: Das war nicht immer so, aber ich meine,wir sind ja alle nicht mehr die Jüngsten, die anderen sind auch älter geworden, von daher hat sich das alles besser zusammengefunden. Ansonsten ist es auch teilweise so, dass mir bei sehr vielen Tags in der Stadt einfach ein Gesicht dazu fehlt und wenn ich die dann irgendwo an einer Hall malen sehen, dann denke ich mir auch nur »Okay, noch nie gesehen«.
Unik: Auf der anderen Seite gibt es eben natürlich auch sehr viele Leute, die man kennt.


Die Weimarer CWR-Crew hat damals ein Bombing auf den Drei Gleichen hinterlassen. Gibt es für euch was die Stellen betrifft gewisse »No Go´s«?
Unik: Also prinzipiell alles, was irgendwie Kulturgut darstellt, oder auch einen gesellschaftlichen Wert hat, sollte in Ruhe gelassen werden, meiner Meinung nach. Ich würde nie an z. B. Museen oder Kirchen irgendwelche Tags hinterlassen.
Mark: Ich kann mich an ein Zitat erinnern, aus besagtem Schwarzkopf & Schwarzkopf TV-Beitrag. Zum Schluss kam dort die Frage: »Ist es Kunst, Kunst zu zerstören?«. Dazu wurde ein vollgetagtes Denkmal gezeigt.

Gab´s mal irgendwelche skurrile Aktionen/Situationen, als ihr gemalt habt?
Mark: Das ist eigentlich recht erstaunlich, dass uns hier in Weimar sowas noch nicht passiert ist. In Erfurt an der Hall gab´s z.B. mal eine Schlägerei, aber in Weimar, kommen bisher eher die typischen Sprüche  wie: »Na, wenn´s gut gemacht ist«. (Mark & Unik zeitgleich!). Dann kam mal ein Copenhagener Ehepaar vorbei, die ein Foto von uns machen wollten, weil ihr Sohn auch sprüht. Wir haben das also bisher auf einer sehr freundlichen Ebene erlebt.
Unik: Erfurt ist durchaus ein bisschen »rougher«, aber das liegt vielleicht auch an den Vierteln, wo die Walls stehen.  Im Erfurter Norden eckt man durchaus ab und zu mal an.
Mark: »Wenn´s gut gemacht ist« und legal ist, scheint es für die Leute zumindest OK zu sein. Es folgen dann von Passanten die Standardsprüche, was kostet so eine Dose, wie viel Übung braucht man dafür etc. Man hat dann seine Standard-Antworten und dann sind die Leute auch zufrieden.

Ihr investiert ja auch ganz schön Geld für eure Konzeptwände …
Mark: Naja, das geht schon. Wahrscheinlich sieht es teilweise teurer aus als es ist. Wir legen teilweise zusammen, z. B. für die Streiche, man nimmt auch Restdosen vom letzten Mal und dann geht das schon.
Unik: Man hat zum Glück auch einfach gute Dosenconnections und Streicheconnections. Keiner von uns bezahlt hier den Vollpreis, das würde dann wohl auch bei der Masse gar nicht gehen. Na okay, es würde schon gehen, aber so macht es eben schon einen großen Unterschied. Es macht schon was aus, ob man als Beispiel ´n Euro weniger zahlt für die Dose, vor allem auf die Masse gesehen. 

Was benutzt ihr für Dosen?
Unik: Aktuell, eigentlich nur noch Kobra und Guerilla-Cans.

Ach echt? Wegen der guten Connection oder im Allgemeinen?
Unik: Beides, aber eben auch, weil ich die Dosen einfach mag und mit denen gut arbeiten kann.
Mark: Beltons nutzen wir kaum noch. Früher haben wir nur Belton genommen, aber mittlerweile gibt es auch andere Marken. Kobra fetzt schon, die Farben sind richtig gut. Ich kenne kein anderes Weiß, was so deckt, wie das von Kobra, das ist einfach Killer das Zeug!


Erstellt ihr bevor ihr an die Wand geht ein Konzept mit dem gesamten Bild und guckt wie ihr was genau umsetzen wollt?
Unik: Das kann man so sagen mit den Konzepten. Wobei wir in letzter Zeit auch öfters einfach drauf los gemalt haben. Wir brauchen uns aber auch manchmal gar nicht absprechen: wir packen unabhängig voneinander die Dosen ein und haben dann doch alle die gleiche Farbpallette mit (Mark & Unik).
Mark: Wir sprechen uns schon vorher meistens ab, telefonieren miteinander und stimmen z.B. die Farben miteinander ab. Wenn es um Character geht, wird auch vorher bestimmt, was dort hin soll. Für die Carrys ist häufig CREASY der Fachmann. Aber Pesk (Words) und Riot (Rave) können auch sehr gute Character umsetzen. Wir beide sind bei dem Thema völlig raus..
Unik: Ich hab mal vor Jahren versucht ´n kleinen B-Boy zu malen und das ist schon an der Grenze zum … ,naja, ihr wisst schon. Einen Smily würde ich vielleicht hinkriegen. 

Gibt es neben den Walls in EF und WE auch noch andere Städte/Halls, die ihr gern aufsucht?
Mark: Das ist eigentlich ein latentes Problem, weil wir hier einfach zu wenig legale und gute Wände haben. Wenn wir was Größeres machen, geht´s nach Erfurt. Ansonsten waren wir jetzt auch immer mal in Halle, da sich dort durch die Jungs vom BACKYARD Store einiges ergeben hat. Ansonsten fehlt es hier einfach an Flächen. In Jena gibt’s ja noch das KASSABLANCA, aber dort kann man jetzt auch nicht unbedingt die riesen Konzepte hinsetzen. Wir sind eigentlich ständig auf der Suche …
In Weimar ist es oft so, dass wir unsere eigenen Bilder übermalen.

Any last words? 
Vielen Dank für euer Interesse und ein Paar obligatorische Grüße vielleicht noch an:
riot, words, biak, squad, creasy, zank, spud, motor, riad, power, nitro, stay true, anton, funk25, kaot, maclaim, tbk, ukw, 25, 135, trc, welt, bm45, rcs, süd

Complete me..
Polizei und Graffiti sind … zwei Wörter mit jeweils 7 und 8 Buchstaben.

Das Komplize hat mich deshalb geflasht weil … es seit »Flushstyle (1995)« das erste Magazin aus Erfurt seit 19 Jahren ist. Besonders die letzte Doppelseite hat uns gut gefallen.

Ein Besuch nach Weimar lohnt sich weil … es hier wirklich richtig schön ist!
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Vielen Dank nochmals für das sehr interessante Interview mit Euch! Unten findet Ihr noch das Video “Summer 2014” mit Unik, Biak und Mark126 bei einer ganz aktuellen Aktion in Erfurt.

Des Weiteren hier noch ein Artikel über neue geplante Freiflächen in Weimar (von 2010): klick.


Und am Schluss weitere Bilder!



4 Antworten

  1. Anonym sagt:

    cooles interview! zum glück gibt es sowas noch in der zeit von street art und pseudo individualismus , reales graffiti !

  2. Anonym sagt:

    sehr geil, was ihr macht…Kompliment!

  3. Vera Kellner sagt:

    Vielen Dank für das Interview / den Einblick. Respekt für euer langes und schönes Schaffen – das motiviert! Sehr sympatisch was der Herr Unik zum I-net äußert. Zum Thema Anti-Stil möchte ich anmerken, dass es im ursprünglichen nicht um eine Rückentwicklung geht, sondern viel mehr um eine Weiterentwicklung durch Vereinfachung (Mental & Gestalterisch) / vlt vergleichbar mit dem Werdegang Picassos.
    Ist ja auch egal! Positive Sache, macht weiter so! Danke.

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