Wie es hier wieder aussieht!

Es ist mal wieder soweit. Aus dem medialen Sommerloch kommt Erfurts größtes Problem: illegales Graffiti (rund 100 Strafanzeigen im Jahr), gekrochen. Also steigen wir mit hinab in dem Sumpf.

https://www.thueringer-allgemeine.de/img/erfurt/crop236023659/7057652731-w1200-cv16_9-q85/c432ab82-0f3c-11ed-a6e3-52cf78af7678.jpg

Drei (sehr) ernst dreinschauende kommunale Politikdarsteller posieren vor einer von Kindern- und Jugendlichen beschriebenen Wand an der Krämerbrücke. Die gesprühten Inhalte entsprechen denen einer Schultoiletten-Wand, was auch von den Beteiligten eingeräumt wird (“..jede Menge sinnlos und geistlos aufgesprühte Zeichen, Sprüche und dümmliche Botschaften. .. Quer durch den politischen Gemüsegarten“). Als „ein Freund der richtigen Graffitikunst“ kann OB A. Bausewein seine Entrüstung kaum verbergen. (MDR Video)

Die einigermaßen entsetzte Denkmalschützerin („Es gab mal Zeiten, da haben die Graffitisprayer wenigstens vor historischen Bauten Halt gemacht“.) hat es leider nicht mit auf das Foto geschafft. Neben den drei Herren wäre wohl das “Geschmiere” nicht mehr zu sehen gewesen?!

So steht die Frage im Raum: Ist die Krämerbrücke nun zu einer no-go area bzw. Angstraum geworden?

Um nun energisch dagegen vorzugehen, stehen verschiedene Maßnahmen im Raum:

1) Videoüberwachung! – Die sicherheitspolitische Antwort auf alles

2) Nächtliche Beleuchtung der Brückenbögen – In Hinblick auf die Energiekosten ein sehr durchdachter Vorschlag

3) Graffiti-Schutzschicht – Für nur (geschätzte) 60€ pro qm wird eine gallertartigem Chemiepaste aufgetragen. Eine Prüfung durch den Denkmalschutz wird wohl ergeben, dass das nicht im Sinne von historischen Oberflächen (Naturstein) ist. Eine Farbanalyse werde da aber Klarheit bringen.

4) Nächtliche Präsenz an der Brücke durch Stadtordnungsdienst – Diese Idee greift zu kurz. Denn ein Teil der “Schmierereien” entstanden tagsüber, wie Augenzeugen berichteten.

Tatsächlich gibt es nur eine wirkliche Lösung: Eine Krämerbrückenwache! Direkt auf der Mittelinsel angesiedelt! So könnten die Videobilder auch direkt ausgewertet werden!


Zum Glück gelang vor kurzem ein Schlag gegen die organisierten Jugendbanden in Erfurt: Anwohner stellen Sprüher – Jugendliche Randalierer in Erfurt. Laut 1:1 übernommener Polizeimeldung gelang es Anwohnern zwei der 12 und 13 Jahren Kinder aufzuhalten und der Polizei zu übergeben. Was neben den ungewollten Graffiti noch durch die Randale zerstört wurde, konnte nicht benannt werden. Wie viele Polizisten benötigt wurden, um die Täter zu überwältigen ist ebenfalls unbekannt. 

Wie “Richtiges Graffiti” geht, können die noch nicht ins kriminelle Gangmilieu abgedrifteten Kinder und Jugendlichen von zwei Erfurter Graffiti-Meistern lernen. Die in Zusammenarbeit mit der VHS-Erfurt zuletzt 14 neue Banksy´s ausgebildet haben: „Wir zeigen den Kindern, wie man richtig gute Graffiti macht, sodass sie auch akzeptiert werden, nicht nur in der Graffitiszene.“ (!)

https://www.thueringer-allgemeine.de/img/erfurt/crop236014615/3347657252-w1200-cv16_9-q85/d5d80fd2-0e81-11ed-901d-84990fb46535.jpg

Von der VHS bis zur Wohnungsbaugenossenschaft (WBG) „Einheit“ ist man hellauf begeistert von dieser Aktion. Durch die Gestaltung der (40-50cm hohen) Mauer (die zur Abtrennung eines großen Spielplatzes, der in den 1990er-Jahren zurückgebaut worden sei, diente!) ist ein toller Beitrag “..dass der Herrenberg noch freundlicher wird“.

Funfact: Die Mauer ist im Kammweg. Kammweg… war da nicht mal was?!  Die „Kammwegklause“ diente bereits dem 2011 gegründeten und inzwischen aufgelösten extrem rechten Verein „Pro Erfurt“ als Treffpunkt und wird heute für NPD-Veranstaltungen und Konzerte mit Neonazi-Bands genutzt.

Das ist, so hat der Umgang mit der Fake-Banksy-Ausstellung gezeigt, die Art und Form in dem Graffiti erwünscht und gemalt werden sollte: Inhaltslos, sinnentleert (selbstverständlich ohne fachlichen oder kunsthistorischen Kontext) und immer in einer kontrollierten vorgegebenen Umgebung. Zu dem nur einmal im Jahr im Rahmen eines Workshops mit bekannten Graffiti-Meistern. Aber nur dann wenn das Geld für die Kursgebühr oder Eintritt vorhanden ist.

Hundert Kinder- und Jugendliche wurden in diesem Jahr durch die Fake-Banksy-Ausstellung geschleust. Über 60 Kinder und Jugendliche nehmen an den Graffiti-Ferien-Workshop der VHS teil. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die an Schulworkshops oder ähnlichen Angeboten der IMAGO Kunstschule teilnehmen, ist sicher mit über 100 einzuschätzen. 

Jedoch: Keiner der Beteiligten/Verantwortlichen interessiert, oder engagiert sich für (die Schaffung von) Freiflächen. Dass es keine legalen Freiflächen im gesamten Erfurter Südosten gibt, verwundert nicht. Hier enden Nachwuchsförderung und das Verständnis. Die Message lautet: Ihr dürft Euch dafür interessieren, aber Praxis ist nicht erwünscht!

So werden die 14 vielversprechenden neuen Banksy´s in die Illegalität getrieben!1!!

Wie krude dieses Verständnis ist, zeigt eine kleine Analogie: Die o.g. Beteiligten veranstalten 1-2 mal im Jahr ein großes Fußballturnier für Kinder und Jugendliche. Den Rest des Jahres aber ist Fußballspielen oder gar Training auf allen öffentlichen Anlagen verboten. Bolzplätze gibt es eh keine.


Ein Schmankerl zu Schluss. Dieser Film sollte zukünftig vor jedem Graffiti-Kurs gezeigt werden!

15 Antworten

  1. Schwipsi. sagt:

    Schön geschriebener Artikel. Wäre lustig, wenn´s nicht so traurig wäre.
    Die Nachwuchs-Crew auf dem Bild ist wahrscheinlich jetzt schon besser als der Großteil der Frankfurter Szene…

  2. Zugeil sagt:

    Sage mal nicht wo ich her komm aber bei uns in der Stadt gabs mal ein Präventionsprogramm an Schulen das Graffiti richtig lit gepusht hat. Danach gab’s kein Halten mehr waren gefühlt alle am Taggen und neue Crews kamen wie Pilze aus dem Boden

  3. Hulgor, schiefpinkelnder Pizzabäcker sagt:

    Wegen euch hab ich jetzt voll bock auf vegane Pizza, werde gleich mal Teig machen.
    Die Kids im Video voll am crossen ey 😀 Wie immer ein fest eure Statements zu lesen, sehr geil geschrieben!

  4. Hulgor, kommentar kurator aus Unterkleinhildeburghausen sagt:

    PS: gut dass es Graffiti gibt, jetzt wo niemanden mehr Klimakrise, UkraineKrieg und Ertrinkende Menschen im Mittelmeer interessieren, muss ja irgendein neues Thema her und Sport ist ja auch nicht mehr was es mal war, hab ich mir sagen lassen.

  5. Anonymous sagt:

    Jeder der drei Männer bin übrigens ich.

  6. Anonymous sagt:

    lol.. in den Kinderfoto… ohne cap auf die sprühdose drücken… Typisches pressebild: halt dochmal die dose in richtung kamera
    was für toys!

  7. Geselle sagt:

    Kann man in Ehrfurt tatsächlich seinen Graffiti Meister machen? Hat jemand einen Link zur Schule und was kostest die Meisterprüfung? Danke vorab!

  8. Soli sagt:

    Dafür wurde der Osten also wieder aufgebaut

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert