Mal wieder ein Interview! – AD BUNDY

Was in Frankfurt unkommerziell und ungenehmigt in den öffentlichen Raum geklebt, gemalt und gebastelt wird, ist schnell entfernt. Werbung hingegen sieht man überall, sie bedient sich auch in Frankfurt beim “guerilla marketing” immer häufiger der üblichen Streetart-Techniken. Logisch-konsequent ist das, was unser nächster Interviewpartner AD BUNDY macht…

AD BUNDY, stell dich kurz einfach selbst vor, mit allem, was man zu dir wissen muss!
Hallo, ich komme aus FFM und mache seit einigen Jahren Straßen-Adbusting. Meine Karriere begann im Alter von etwa 11, als ich zuhause anfing, Werbeanzeigen aus Zeitschriften mit einem Kugelschreiber zu vervollständigen: hier ein Hitler-Bärtchen, dort ein Penis und da ein kleiner Nasenring usw. Jahre später, als in Paris die Vororte brannten, stieß ich zufällig auf bearbeitete Plakatwände von Prost (BLN), Poster Boy (NY) etc., was wohl die Initialzündung war. Dann ging es los: erst Kleinformat an Bushaltestellen etc., über Litfaßsäulen hin zu großformatigen Plakatwänden.

Hier ein Hitler-Bärtchen, dort ein Penis
und da ein kleiner Nasenring” 

Auch wenn es so klingt, als habe alles spielerisch angefangen, fängt man ja nach einiger Zeit doch gründlicher an, darüber nachzudenken, was man so macht. Was ist adbusting also genau und was ist dein Antrieb?
Adbusting (advertisement busting) ist eine Antwort auf die zunehmende visuelle Vermüllung/Verblödung durch Werbung. An jeder Ecke wird man von Großkonzernen mit Werbung terrorisiert, coole Menschen auf Werbeplakaten versuchen mir Freiheit und Glück zu verkaufen. Ich nehme mir die Freiheit, meine direkte Umgebung mitzugestalten, um ihr ein authentischeres Gesicht zu geben: durch gezielte Manipulationen an Werbeplakaten versuche ich mit möglichst kleinem Aufwand „der Werbung die Hosen runter zu ziehen“. Ich sehe das ganze als ein politisches Statement, gehe aber möglichst unverkrampft an die Sache ran.

Hast Du denn schon einmal direkte Reaktionen auf deine Werke mitbekommen? Glaubst du, dass Passanten Werbung so genau wahrnehmen, dass sie auch die Veränderungen erkennen?
Das ist sehr unterschiedlich. Eine große Rolle spielt dabei der Spot an sich: ein einzelnes gebustetes großflächiges Plakat in Augenhöhe, direkt am  Auslauf einer Rolltreppe oder an einer Ampel, wird natürlich eher registriert als eines inmitten von 10 anderen, in 4 Meter höhe, in einer Eisenbahnunterführung. Aber es kommt natürlich auch auf die Situation und vor allem Aufmerksamkeit/Interesse/Sehkraft eines Passanten an. Ich würde behaupten, dass 25% der Passanten, die schon mal länger als 3 Sekunden auf das Plakat schauen, auch bemerken, dass da was verkehrt ist – was ja eigentlich schon eine relativ hohe Ausbeute ist.
Direkte Reaktionen kann ich nur in den Gesichtern deuten, meistens in der Reihenfolge: Neugier, Verwirrung, Erstaunen, Freude. Einmal habe ich zufällig eine ältere Dame dabei beobachtet, wie sie an einer S-Bahn Station ein von mir bearbeitetes Werbeplakat fotografierte, auf dem ein grinsender Werbemensch um Erlösung flehte. Direkt auf das Plakat gekritzelte Reaktionen kamen aber auch schonmal vor, was ich sehr demokratisch finde.

“..wichtig hierbei ist die Kunst des Loslassen”

Wenn also wirklich ein Effekt erzielt wird, wird es für die eine oder den anderen ja ganz spannend sein, ein paar Tipps zur Nachahmung zu finden. Was kannst Du uns über deine Techniken verraten? 
Bei der Technik kommt es ganz auf das gewünschte Resultat an. Meine Techniken sind unterschiedlich, mal schneide ich Teile aus identischen Plakaten (Buchstaben etc.), um damit das Zielobjekt zu verfremden, mal helfe ich mit einem Laserdrucker oder einer Spraydose nach. Gute Vorbereitung ist das A und O, um im Anschluss alles möglichst schnell und ohne Überraschungen ablaufen zu lassen. Was die Lage angeht, sollte es am besten eine leicht zugängliche, hochfrequentierte Stelle sein, ein Adbusting an einer Einbahnstraße in einem Industriegebiet macht wenig Sinn. U-Bahnhöfe sind z.B. sehr effiziente Orte, da dort großformatige Plakate in Augenhöhe hängen und die Ausweichmöglichkeiten der Passanten eher begrenzt sind – man wird quasi genötigt, auf die Werbung zu schauen. Plakatwände an Ampeln und Bahnhöfen sind natürlich auch ein gutes Ziel, es gilt die Sprengstoffgürtelfaustregel – je mehr Publikum desto besser. Für den kürzesten Part des ganzen, der Verfremdungsaktion an sich, bevorzuge ich Alltagskleidung und den frühen Morgen, Sturmhaube/Nacht erwecken immer den Verdacht, man würde etwas illegal machen. Über Konsequenzen des Erwischtwerdens mache ich mir keine Gedanken, bis auf kleine Pöbeleien von couragierten Menschen hatte ich bisher noch keine schlechten Erfahrungen gemacht. Die Plakatflächen werden je nach Ort, in der Regel für eine Woche gebucht und anschließend mit neuer Werbung überklebt. Meistens passiert das ganz plötzlich und unerwartet – wenn man Pech hat noch am gleichen Tag, wichtig hierbei ist die Kunst des Loslassens.

Siehst du im Adbusting denn eigentlich eher einen künstlerischen oder einen politischen Ansatz?

Ich sehe das nicht so differenziert und kann auch nicht sagen, welcher Punkt jetzt überwiegt. Es ist eine Schnittstelle von Kunst und Politik, ich würde es als Protestkunst oder als ein situationistisches Kunstwerk bezeichnen.

Ich behaupte jetzt einfach mal, das Streetart und Graffiti auch generell eine Schnittstelle von Kunst und Politik ist. Wo liegen denn dann die Unterschiede zu den klassischen Sparten von Streetart?
Da kommt natürlich die Frage auf, was man als klassische Streetart bezeichnen kann und was nicht. Kann man einen älteren Geigenspieler auf der Zeil, als klassische Streetart bezeichnen? Jedenfalls stellt klassisches Adbusting immer eine Kritik dar und entsteht nicht aus rein ästhetischen Gründen. Es gibt ein konkretes Angriffsziel (Werbeterror einer Werbetafel) und dieses gilt es in guter alter Guerilla-Taktik, möglichst geschickt zu busten. Wobei Kritik natürlich auch ästhetisch dargelegt werden kann, z.B. in Form eines Ausdrucktanzes. Es gibt da unbegrenzte Möglichkeiten.

Und was hältst du speziell von der Frankfurter Streetart-Szene?
Ich denke die Stadt Frankfurt macht es einem nicht sehr leicht, blühende Streetartlandschaften entstehen zu lassen. Es wird überall sehr viel Geld in Sauberkeit investiert und viel geputzt, da dürfte es schwer sein,
sich als Streetart-Künstler auf Dauer immer wieder neu zu motivieren. Man muss, glaub ich, die Lücken finden. Es gibt aber ein paar Ecken wo in unregelmäßigen Abständen hin und wieder was geht – ich würde die Szene als klein aber beständig bezeichnen. Ich halte ständig die Augen offen nach neuem und freue mich grundsätzlich über jedes unkommerziell entstandene Kunstwerk, welches ich in den Straßen entdecke, ob es ein Wholetrain ist oder ein Mikro-Sticker, spielt keine Rolle. Zur Zeit wird ja viel gestrickt.

Complete me!

Das nervigste an Frankfurt ist…
der Trend zu verschließbaren Plakatwänden.
Bei den Astronauten handelt es sich… um ein Mysterium.
Streetart soll gefallen, weil… dann der Rubel rollt.
Streetart soll nicht gefallen, weil… dann der Rubel rollt.
Banksy ist… unter uns.
Strickguerilla ist… nur von Hand, bei maximal 30°C waschbar.

Quick shots!
Mac oder PC? Umweltfreundliche Rechenschieber aus pestizidfreien, nachhaltig angebauten, tausendjährigen fair-trade-Rieseneichen aus ökologischem Anbau.
Cola oder Fanta? H2O
Facebook cool oder uncool? Ein zweischneidiges Schwert
Westcoast oder Eastcoast? Die Mauer muss weg!
Vielen Dank fürs Interview – any last words? Das schlimmste kommt noch…

Mehr von AD BUNDY gibt es HIER.

“Es gilt die Sprengstoffgürtelfaustregel – je mehr Publikum desto besser”

Eine Antwort

  1. Jürgen sagt:

    Bei dem Base-Fritzen habe ich genauso reagiert, wie die ältere Dame. Großartig!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert