Teures Porzellan und seltene Malerei – Das Interview mit LOVR

 

 


Der Name „LOVR“ dürfte so ziemlich jedem Erfurter ein Begriff sein, der auch nur im entferntesten etwas mit Graffiti oder Streetart am Hut hat.

Seine Arbeiten prägten und prägen das Stadtbild wie wenige andere.

Aktuell präsentiert er im Erfurter „Retronom“ seine Arbeiten.

Trotz seines vollen Terminkalenders hatten wir die Gelegeneit, ein Interview mit ihm zu führen.

Vielen Dank schon mal dafür!


 

 

 

  • DKO:

Hallo LOVR. Schön, dass du Zeit gefunden hast, um uns ein paar Fragen zu beantworten.

Wie geht es dir? Wie zufrieden bist du mit der Ausstellung bisher?

  • LOVR:

Danke, ausgezeichnet!

Die aktuelle Ausstellung versucht das Potenzial des Retronoms auszuschöpfen, was an einigen Stellen durchaus gelungen ist, doch an anderen Ecken wieder mal verdeutlicht,wie viel Arbeit und know-how notwendig sind, um hohem Anspruch gerecht zu werden, kurz gesagt: da ist noch Luft nach oben (;


  • DKO:

Warum heißt die Ausstellung „Teures Porzellan und seltene Malerei“?

  • LOVR:

Eigentlich ist es Clickbait. Der Titel sollte vor allem das Interesse bei Unbeteiligten wecken. Sicher ist ein cremiger, mit Dynamik verwobener Name charmant, doch da kommt wieder die Zeit-und-Nutzen-Komponente ins Spiel (:

Der Titel sollte zudem einen Hinweis darauf geben, was gezeigt wird.


  • DKO:

Was genau stellst du aus?

  • LOVR:

Wie der Name schon sagt: teures Porzellan und seltene Malerei.

Beginnend bei der Keramik: das gezeigte secondhand Porzellan ist durch die Bemalung und die damit verbundenen Arbeitsstunden sowie die Energiekosten (Brennofen 850°C) einfach arschteuer geworden. Was mir aber erst danach bewusst geworden ist. Auch sind die bemalten weißen Kannen eher ein Experiment gewesen, welches sich hochgeschaukelt hat und mit seinem ”Outcome” überraschend gut war. So lag der Wunsch nah, die Teile auch mal zu präsentieren. Der Gedanke bei dem Porzellan, Markennamen neben ungemütlichen oder sogar brutalen Motiven zu platzieren, gefällt mir gut und ist ein moralischer Verweis auf den ungerechten Blutzoll, den Luxusartikel fordern.

“Seltene Malerei” ergab sich aus dem Anspruch für diese Ausstellung, möglichst viel neu zu malen bzw. aktuelle Motive und Techniken zu verwenden, welche einfach noch nicht so ausgelutscht sind.

“Selten” eventuell auch vor dem Hintergrund, dass ein Großteil der Malereien im Anschluss wieder überstrichen werden, da sie direkt auf die Baustruktur aufgebracht sind.

Zudem gibt es zwei zusätzliche Leinwände die aus gegenwärtigen Aufträgen stammen aber leider deshalb bereits vergeben sind.

Eine weitere interessante Position ist die “Stacheldraht-Frieden”-Installation (3m x 3m), welche in diesem Umfang auch Neuland für mich war.

Die Ursprungsidee mit überdimensioniertem Stacheldraht – L O V R – zu schreiben, war ein wenig zu ambitioniert und lehrte mich, dass es gar nicht so easy ist, Riesen-Stacheldraht zu bauen. Ich habe aber nicht locker gelassen und konnte so zumindest eine abgespeckte Version kreieren.

Zudem gibt es eine große Collage relativ sweet arrangierter Lieblingsbilder aus den letzten acht Jahren, inklusive des ersten Lovrs aus meiner Hand.


  • DKO:

Gab es ein Konzept, wie du die Ausstellungsfläche bespielen wolltest?

  • LOVR:

Ja gab es, welches aber verworfen wurde in Anbetracht der Zeit und der Kosten. Es ist von allen Ideen eine kleine Version geworden und zeigt einen Überblick der Dinge, die mich bei Gestaltung aktuell irgendwie catchen. Das heißt für eine große durchgestylte Konzeptausstellung braucht es mindestens einen zweiten Anlauf (:


  • DKO:

Wie lange hat es gedauert bis die Ausstellung final stand?

  • LOVR:

Ca. 12 Tage mit täglich etwa 10 Stunden Maloche im Retronom, die Vorbereitungen like Planungstreffen, die zwei Einzelleinwände malen, Plakate am Rechner zusammen klicken, usw.

Ich würde mal schätzen bestimmt 200 Stunden.


  • DKO:

Hast du alle Werke selbstständig angebracht oder wurdest du dabei unterstützt?

  • LOVR:

Ohne Unterstützung ist so ein Projekt gar nicht möglich, deshalb einen riesen Dank an Team-Members explizit MOGLI ONE, der einfach ein traumhafter Kollege ist. Ebenso meine Freundin Easy. Ohne ihre Mittel und Koordination wäre es ein Chaos geworden und natürlich Danke an das ganze Retronom-Universum. Ohne die hilfsbereiten Menschen dort wäre diese Ausstellung wie gesagt gar nicht möglich.

Danke Guys, ihr rockt ! <3


  • DKO:

Gab/gibt es Themen, die du mit deiner Kunst ansprechen willst?

  • LOVR:

Mal so, mal so – sicher verfolge ich auf der einen Seite einen starken Gerechtigkeitssinn der sich in Kritik an bestehenden Gegebenheiten äußert, welche ich gerne wiederum so verpacke, dass gewöhnliche, oftmals auch vertraute Dinge durch einen Zusatz eine Kontroverse erzeugen und so direkt die Konsumierenden sowie das Gezeigte behutsam in  Frage stellen. Auf der anderen Seite mag ich es auch mal los zu lassen, inhaltlich keinerlei Bezüge oder Ambitionen zu verfolgen, einfach nur malen was optisch irgendwie flasht.


  • DKO:

Gibt es vor Ort auch die Möglichkeit Bilder oder anderen Stuff von dir zu kaufen?

  • LOVR:

In solchen Dingen bin ich leider sehr schlecht, zwei von den drei Leinwänden aus der Ausstellung sind wie gesagt bereits verkauft, für die dritte überdimensionale Leinwand gibt es eine Interessentin.

Das Porzellan “Experiment-Reihe-1” taugt aufgrund von Prozessschäden leider nicht mehr für den Gebrauch, was es freilich zu einem teuren Staubfänger macht (;

Wer allerdings generell Interesse an Arbeiten von mir hat, kann mich gerne über die einschlägigen Kanäle erreichen und wir finden safe einen Weg.


  • DKO:

Wie würdest du deine Kunst selbst beschreiben?

  • LOVR:

Wenn es um meine Arbeiten geht dann schwankt es.

Die Traumvorstellung ist: innovativ, avantgarde, präzise konstruiert, clever, deep und sparsam.

Die Realität sieht aber leider oft anders aus, denn realistisch gesehen ist sie eher gestalterisch mittelmäßig, unvollständig konzipiert, dilettantisch dokumentiert, gefühllos formuliert und viel zu langsam ausgeführt.

Ob man Traumtänzer oder Realist ist hängt freilich von der Tagesform und der eigenen Motivation ab 😀

(Anmerkung DKO: Eigentlich sind die ersten Attribute genau das, was LOVR auszeichnet)


  • DKO:

Was ist für dich der Unterschied zwischen Streetart und Graffiti?

  • LOVR:

Gute Frage. Mir ist aufgefallen, dass klassisches illegales Graffiti von einer kleinen Gruppe für eine kleine Gruppe gemacht wird, welche mehrheitlich die Grundsätze verfolgen: “Mir ist es egal, ob du mein Graffiti lesen kannst, ich mache das hier für mich, für meine Crew und die übrigen die Graffiti machen und was Außenstehende davon halten ist mir egal”.

Streetart hingegen besitzt den Anspruch von möglichst einer breiten Masse wahrgenommen und gelesen werden zu können, es ist für eine Vielzahl von Menschen von jung bis alt gedacht, weshalb bei Streetart eine sehr eindeutige Bildpsrache verwendet wird anstatt wie bei Graffiti kryptische Zeichen.


  • DKO:

Ist Graffiti für dich Kunst?

  • LOVR:

Klar!

Man könnte natürlich fragen was definiert Kunst?

Ist es alleine der Akt eines Lebewesens seine Umwelt zu verändern, was dadurch ein Kunstwerk in jeder Handlung, ja sogar in jeder Bewegung vermuten lässt? Oder beginnt Kunst erst dort wo es eine kommerzielle Anwendung gibt, sprich es verkauft werden kann? Oder sind es klar die freien Künste wie Malerei, Tanz, Lyrik und Musik? Diese Dinge kann man unabhängig von seinem sozialen Stand ausüben und da gehört Graffiti definitiv dazu.


  • DKO:

Wie würdest du deine Arbeiten von klassischer Kunst/Malerei abgrenzen?

  • LOVR:

Da sind die Grenzen fließend. Mal sind meine Arbeiten schön klassisch Mainstream und kommerziell anwendbar und ein anderes mal sind es persönliche Bilder, die ohne jeglichen Anspruch auf Weiterverwendung entstehen, die stark subjektive Gedanken und Empfindungen als Grundlage nutzen, denn so entstehen ”freestyle” bei mir manchmal Bilder, die die Welt noch nicht gesehen hat und sie sich dadurch vom klassischen Sinne abgrenzen.


  • DKO:

Abgesehen von der Ausstellung bist du auch für Auftragsarbeiten im Bereich Graffiti unterwegs – zieht sich Graffiti & Kunst durch dein gesamtes Leben? (Und kannst du davon leben?)

  • LOVR:

Ja in der Tat, ich habe mich 2017 endgültig selbständig gemacht. Die Aufträge beinhalten Gestaltungen aller Art sowie Unterricht rund ums Thema Gestaltung mit Schwerpunkt auf dem Medium Sprühdose und klassischem Graffiti.

Das sind meine derzeitigen und einzigen Einnahmequellen was super zum Leben und für gut zweimal “großer Urlaub” im Jahr reicht. Aber wie Helge Schneider schon gesagt hat: “Sprühen ist nicht alles” – so habe auch ich noch andere Interessen die freilich einen starken Hobby-Charakter haben (:


  • DKO:

Der Wandel von legalen Bildern: Wie siehst du es, wenn sich die Straße (wieder) auf Auftragsarbeiten austobt?

  • LOVR:

Mit diesem Thema kann man Bücher füllen…

Wem gehört die Wand und wer hat Anspruch auf ihr aussehen?

War die Qualität der Auftragsarbeit eventuell schwach?

Will illegales Graffiti graue Wände lebendig oder einfach nur seinen eigenen Namen überall?

Gibt es eventuell eh schon im Vorfeld Unstimmigkeiten zwischen zwei Parteien und crossen ist nur das Ventil von einem tieferen Konflikt?

Kann man jüngeren Menschen leichter vergeben aufgrund ihres natürlichen Mangels an Achtsamkeit?

Darf man aufgrund persönlicher Geldprobleme mittels Auftragsmalerei jegliche illegale Graffiti übermalen?

Die Fragen die sich daraus ergeben sind vielschichtig und meist nicht ohne Weiteres zu beantworten, man kann aber versuchen jeweils beide Seiten zu verstehen, denn mit völliger Ignoranz straft man sich auch selber schnell.

Ich mag den Versuch einer Art “Ausgleich”. Man gibt Betroffenen zum Beispiel den Materialaufwand in Form von Dosen wieder, man integriert Betroffene bei einer Auftragsmalerei oder man sagt wenigstens mal Sorry wenn man schon jemanden unbedingt übermalen muss. Es gibt einfach zu viel Scheiße, die auf der Welt passiert und sich wegen Farbe ernsthaft in die Haare zu bekommen ohne den Versuch einer Lösung gewagt zu haben, ist eindeutig schwach.


  • DKO:

Kannst du dich als Writer/Künstler ausleben oder gibt es Potential für mehr Förderungen?

Was sollte sich in deiner Stadt ändern?

  • LOVR:

Mehr Hall of Fames, mehr Wände, die regelmäßig bezahlt und damit bemalt werden, weniger Strafverfolgung für Farbe.


  • DKO:

Wer oder was inspiriert dich?

  • LOVR:

Meine Umwelt, meine Träume, Team Members also eigentlich alles (:


  • DKO:

Was wünscht/erhoffst du dir von der Ausstellung?

  • LOVR:

Klar fremdes Interesse und Aufträge für freie Arbeiten, aber auch Erfahrungen die mich beim nächsten mal besser handeln lassen.


  • DKO:

Was ist zukünftig von dir zu erwarten (Pläne etc)?

  • LOVR:

Sprühen und Spaß dabei (:

Ich würde gern mehr tätowieren und damit ein wenig rum kommen. Auch habe ich vor eine Firma zu gründen und träume davon, Leuten gut bezahlte Arbeit zu geben.

Das Retronom braucht mehr Impact, eventuell gelingt uns das die kommenden Jahre.


  • DKO:

Wie lange geht die Ausstellung noch?

  • LOVR:

Bis zum 20. April, also schaut gerne vorher nochmal rein!

>> The.Lovrs <<


  • DKO:

Wir danken dir, dass du dir die Zeit für uns genommen hast <3


 

Wir können die Austellung nur jedem ans Herz legen. Es steckt viel Liebe zum Detail und vorallem Können drin.

Das Retronom hat jeden Dienstag und Freitag ab 21Uhr für euch geöffnet.

Danke LOVR für die Eindrücke und deine Offenheit.

Bis zum nächsten Mal!

DKO 2024

Anbei findet ihr noch einige Arbeiten von LOVR.


6 Antworten

  1. Schwipsi. sagt:

    Der Anhang mit LOVRs Arbeiten gefällt mir sehr gut!

  2. Anonymous sagt:

    OK cool

  3. Egon, der Egon sagt:

    Ey cool, ein Interview! Villeicht lebt die Reihe ja wieder auf (?) ::D
    Macht doch mal eins mit ENO Z.B.

    Zur Ausstellung schaffe ich es leider nicht aber Grüße raus an K******.

  4. better stay clean sagt:

    stark

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